Am vergangenen Freitag konnten wir im Rahmen von „Leipzig liest“ über 40 Gäste begrüßen, die sich für das Thema „Wie tickt die heutige Jugend?“ interessierten. Vortragende Autorin war Dr. Steffi Burkhart, deren erstes Buch soeben im GABAL-Verlag erschienen ist. Es trägt den Titel „Die spinnen, die Jungen! Eine Gebrauchsanweisung für die Generation Y“.
Die 30-jährige Autorin tat in ihrem Vortrag alles, um die zahlreichen Gäste „mitten im Berufsleben“ mit den Ansprüchen und Vorstellungen des karrierebewussten Teiles der heute 20 – 35 Jährigen an Arbeit und Führung vertraut zu machen und diese gegen von ihr schon erwartete Einwände auch zu verteidigen. Dieser Teil der Kohorte sei nicht größer als die Hälfte der Generation – Steffi Burkhart widersprach nicht, als diese Gruppe von Gästen als Elite bezeichnet wurde. Ihrem Verständnis nach handelt es sich bei dem Übergang der Generation X (die heutigen 35 – 50Jährigen, auch „Generation Golf“ genannt) zur „Gen Y“ um keinen kontinuierlichen Generations-, sondern um einen regelrechten Paradigmenwechsel, der die Arbeitswelt nachhaltig verändern wird. Die Erwartungen und Ansprüche an unbegrenzte Freiheit in der Gestaltung der Arbeitszeit und sogar des Arbeitsortes und der Arbeitsinhalte seien in der digitalisierten Welt mit ihrer Multioptionalität gerechtfertigt. Da die Zahl derer, die als Generation Y dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, deutlich kleiner ist als die früherer Generationen, kann es Steffi Burkhart zufolge nicht mehr um die Frage gehen „Wie passe ich die jungen Menschen an ein altes System an?“, sondern: „Wie reformiere ich das ganze System?“. Neue Führungskräfte seien gefragt, die über wirkliche Sachkompetenz verfügen, autoritäres Auftreten durch kooperatives ersetzen und den ganz individuellen Wünschen und Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter mit einem individuellen Führungsverhalten begegnen, das kreativ und frei Arbeitende nicht mit Hierarchien und veralteten Strukturen hemmt, sondern jeden einzelnen fördert und flexibel auf dessen Stärken und Schwächen eingeht. Die Vorstellung einer „Work-Life-Balance“ sei bei den Jungen bereits überwunden zugunsten einer work-life-Verschmelzung („Blending“): die einzelnen Sphären seien nicht mehr voneinander zu trennen. Das Bedürfnis, Arbeits- von Freizeit zu unterscheiden, gäbe es bei sehr vielen Jungen nicht mehr. Und ein in diesem Sinne ganzheitliches Leben sei ja auch durch die technischen Möglichkeiten des Homeoffice problemlos umsetzbar.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Generation Y von grenzenlosem Selbstvertrauen getragen wird, das, wie die Referentin erklärte, besonders durch den Erziehungsstil der Eltern bewirkt worden sei, welche ihre Kinder von frühestem Zeitpunkt an dazu aufgefordert hätten, nur das zu tun, was ihnen entspricht und darüber hinaus noch Spaß macht. Im Raum stand – wenn auch nicht ausgesprochen – die Frage, ob nicht ein gewisser Grad an Egozentrik oder Narzissmus hiervon eine Nebenwirkung gewesen ist. Die allem vorangestellte Individualität werde auch mit einem Verlust von Verbindlichkeit und Struktur sowie persönlichem Umgang der Kollegen in der Zusammenarbeit erkauft. Schwer vorstellbar für ganz anders Sozialisierte, dass Pflichten und verbindliche Normen für die junge Generation keine Kategorien mehr sein sollen. Diese Begriffe fielen bezeichnenderweise an diesem Abend nicht. Dass an „Gesellschaft“ bei diesem nomadischen und monadischen existenziellen Grundgefühl bedeutender Teile der Jugend überhaupt nicht mehr gedacht werde, wurde von Gästen ebenfalls in sich an den „offiziellen Teil“ anschließenden Diskussionen moniert. Auf die Frage, welche Gegenleistungen die älteren Generationen für ihr Verständnis und ihr Entgegenkommen von den „spinnenden Jungen“ wohl zu erwarten hätten, fällt die Antwort schwer.
Die vielen von der Autorin eingeführten englischen Begriffe machten deutlich, dass das Konzept der deutschen Generation Y wohl vor allem in den USA entstanden ist. Es dürfte also nichts an ihm vorbeiführen, aber wir sollten auch berücksichtigen, dass es eben nur einen Teil gesamten Kohorte beschreibt.
Beate Broßmann, Arbeitskanzlei Gerhard Fachkanzlei für Arbeitsrecht, Leipzig, 24. März 2016